Ich kann gerade nicht! Was du tun kannst, wenn du gerade eigentlich gar nicht kreativ sein kannst

Diese Zeilen schreibe ich dir an einem dieser Tage. An einem dieser Tage, an dem die Absage in deinem Postfach lag. An dem es genau einen Monat her ist, dass dein Hund gestorben ist. An dem du auf dem Beipackzettel nachlesen musst, ob du noch eine weitere Schmerztablette einnehmen darfst, damit du funktionieren kannst. Oder an dem es dir schwerfällt, Facebook oder Instagram zu schließen.

 

Dein Tief hat viele Gründe, und ich gehöre normalerweise zu denen, die dir sagen: Es ist okay. Sei traurig, krank oder abgelenkt. Erlaube es dir heute, dann geht es morgen umso besser wieder weiter.

 

Aber heute ist einer dieser Tage, an dem die Deadline winkt oder der Kunde auf deine Nachricht wartet.

 

Weißt du, was ich an solchen Tagen mache?

Vor allem eins: Ich versuche nicht, die Zähne zusammenzubeißen. Ich versuche nicht, meine Kräfte zu pushen. Ich wende keine „Hacks“ an und ich rufe auch niemanden an, der mich in den Hintern treten soll (was man heutzutage so euphemistisch umschreibt mit „accountability“).

 

Kennst du den Spruch „what we resist persists“? Wenn du versuchst, gegen alle Widerstände deine Kräfte zu mobilisieren, dann wird es noch härter.

Also sei sanft zu dir. (Findest du diesen Gedanken doof? Dann versuche es erst recht.)

 

Sei sanft zu dir und erlaube dir alles, was dich weiterbringt. Auf freundliche, höfliche, gütige, würdige, alles umfassende Weise. Du musst nicht plötzlich fröhlich sein, alles wegdrücken oder das ignorieren, was hinaus will.

 

Du musst die E-Mail an den Kunden schreiben? Dann schreibe sie heulend (und überarbeite später), schreibe sie und esse dabei eine ganze Tafel Schokolade (Broccoli gibt’s morgen wieder), schreibe sie und lasse dabei den Pyjama einfach an (der DHL-Mann hat schon Schlimmeres gesehen).

 

Hier sind meine 4 Tipps, wie du sanft weiterarbeiten kannst, wenn du eigentlich deinen Hund betrauerst, die Absage vom Verlag kam und du dich eigentlich krank ins Bett legen solltest:

 

1. Wechsel das Medium. Wenn du buchstäblich auf dein leeres Dokument auf dem Bildschirm starrst, dann nimm einen Zettel oder ein Notizbuch, setze dich aufs Sofa oder ins Bett und schreibe los. Es wird sich erst einmal nicht wie Arbeit anfühlen, und die zusammenhanglosen Stichworte sehen auch noch nicht wie ein fertiges Kapitel deines Romans aus. Meine Erfahrung hat gezeigt, dass diese Notizen doch immer schon der richtige Startpunkt, der eigentliche Kern dessen waren, worauf ich später aufbauen konnte. Auch wenn es sich zuerst angefühlt hat wie: „Ich schreib’s jetzt halt mal auf. Vielleicht schmeiß ich es nachher weg.“

 

2. Wehre dich nicht dagegen. Wenn sich das andere Thema in den Vordergrund drängt, dann schreibe doch erst einmal darüber. Niemand sieht, ob du im ersten Absatz auf die Verlagsabsage schimpfst oder einen glühenden Nachruf auf deinen Hund schreibst (das tust du hoffentlich sowieso). Schreibe: „Worüber ich NICHT schreiben will“ und lege los. So gehst du nicht in den Widerstand (ich darf das jetzt nicht schreiben!), sondern lässt es raus. Ja! Lass es raus! Und nach einer Weile, vielleicht nach ein, zwei Seiten, kannst du das Thema ganz sanft dorthin lenken, wo du hinschreiben sollst. (Falls das eine E-Mail an einen Kunden ist, löschst du hinterher die ersten zwei Seiten. Ist klar, oder? )

 

3. Schaffe dir eine freundliche Umgebung. Noch einmal: Finger weg von irgendwelchen „Hacks“! Alles, was sich jetzt sanft, fördernd, stimmig und gut anfühlt, ist gefragt. Alles, bei dem du das Gefühl hast, es zwingt dich zum Verdammt-nochmal-glücklich-sein, nicht. (Lachen wirst du später ohnehin wieder, das weißt du ja?) Mache dir Musik an, die dich bei der Konzentration unterstützt, ohne dich ins Gefühlschaos zu stürzen. („All by myself“ oder „Happy“ gehen jetzt wahrscheinlich gerade nicht.) Gieße dir einen Tee auf, der dich wärmt. Denke dir ein kleines Ritual aus, das dir jetzt hilft: Rieche an Rosmarin, halte deinen Glücksstein in der Hand, trinke nur aus deiner Lieblingstasse. Es ist egal, ob das jetzt erst einmal lächerlich klingt – wenn es sich jetzt gerade gut anfühlt, ist es genau das Richtige, um dir bei deiner Arbeit zu helfen.

 

4. Sage dir „ich muss jetzt nicht“. Ich muss jetzt keinen perfekten Text schreiben. Ich muss jetzt nicht fröhlich dabei sein. Ich muss es jetzt nicht ganz fertig bekommen, nur anfangen. Ich muss jetzt nicht wissen, ob ich gerade das Richtige tue. Und falls du schon sehr gut darin bist, dann drehe es noch eine Stufe weiter: Wo in diesem Projekt steckt etwas, für das ich gerade dankbar bin? Wo steckt ein kleiner Funken Freude? Finde ich den Faden und bekomme ihn zu fassen? Kann ich an dieser Stelle weitermachen? Allerdings musst du nicht. Wenn du gerade nur mit grauer Wolke über dem Kopf schreiben kannst, dann ist das okay.

 

Es ist alles okay. Es ist alles erlaubt. Falls es sonst noch niemand getan hat, dann erteile ich dir hiermit die Erlaubnis: Du darfst dein Ziel heulend, schwitzend und voller Kekskrümel erreichen. Und dafür darfst du dich selbst auch noch toll finden.

 

Hat dich dieser Post an genau einem dieser Tage erreicht? Hast du einen dieser Tipps beherzigt, und wie ist es dir dabei ergangen? Oder hast du einen weiteren Tipp? Schreibe mir hier in den Kommentaren!